Morgen kommt der Weihnachtsmann …, oder?
Alle Jahre wieder zieht das mystische Weihnachtsfest weltweit Millionen von Kinder in den Bann. Höhepunkt der weihnachtlichen Faszination ist für die meisten Kinder das geheimnisvolle Erscheinen des Weihnachtsmannes, der die Kinder mit Geschenken glücklich macht. Die seit Generationen überlieferte Geschichte vom großzügigen und liebevollen Weihnachtsmann stellt für viele Menschen das Sinnbild für ein friedliches und harmonisches Familienleben dar. Viele Eltern möchten daher den Kindern die Existenz dieser Fantasiegestalt so lange wie möglich im Gedächtnis halten, da sie befürchten, dass die Erkenntnis darüber, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt, eine herbe Enttäuschung, ja sogar ein traumatisches Erlebnis sein kann, vor dem die Eltern ihre Sprösslinge schützen möchten.
Enttäuschte Kinder oder enttäuschte Eltern?
Die Sorge vor der weihnachtlichen Aufklärung ist aber unbegründet und spiegelt häufig sogar nur die Enttäuschung der Eltern darüber wider, dass Ihr Kind nun aufgeklärter und älter wird. Den Eltern wird mit einem Male aufgezeigt, dass Ihr Baby ein Stück aus dem Schoss der Eltern in Richtung Selbständigkeit rückt. Aus dem kleinen und naiven Kind, das den Schutz der Eltern benötigt, wird ein Jugendlicher, der nun anfängt selbständig zu denken und zu hinterfragen und sich somit auch ein Stückweit aus der Obhut der Eltern entfernt. Dies führt wiederum bei vielen Eltern zu einer Art von Trennungsangst. Um dieses Erlebnis weit vor sich her schieben zu können, möchten viele Eltern daher die Mär vom Weihnachtsmann möglichst lange in den Köpfen der Kinder schwirren. Die Sorge um das enttäuschte Kind ist also häufig nur die Angst der Eltern vor dem Augenblick, in dem das Kind mit dem Satz „Es gibt den Weihnachtsmann gar nicht“ seine Selbständigkeit ankündigt.
Es geht auch ohne Weihnachtsmann
Kinder sind dagegen in der Regel eher pragmatisch. Wenn Sie dem Geheimnis um den Weihnachtmann auf die Schliche gekommen sind, sind sie meistens gar nicht so enttäuscht, wie es Erwachsene befürchten. Ihre Entdeckung macht sie eher Stolz und sie fühlen sich plötzlich älter und größer, da sie ja nun in die Geheimisse der Erwachsenen eingeweiht sind. Anfängliche Enttäuschungen werden schnell von den Vorzügen der neuen Erkenntnis abgelöst. Die Wünsche für den Gabentisch zu Weihnachten können nun direkt mit den Eltern bis zur letzten Minute diskutiert werden und auf dem Schulhof wirkt das Wissen um das Geheimnis des Weihnachtsmannes auch eher cool und schafft Beachtung. Geschenke gibt es allemal. Von wem sie kommen ist da eher zweitrangig.
Der Aufklärung freien Lauf lassen
Wenn die Kinder also merken, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt, sollten Eltern nicht enttäuscht sein und krampfhaft an der Illusion festhalten. Denn ist die Erkenntnis erst einmal da, kann ein Verteidigen der Existenz des Weihnachtmannes durch die Eltern auf das Kind durchaus so wirken, als wenn es belogen wird. Und das wäre eine weitaus größere Enttäuschung für die Kinder. Vielmehr sollten sich die Eltern über die Erkenntnis Ihres Sprösslings freuen und stolz darauf sein, dass es einen weiteren Schritt in der Entwicklung der Persönlichkeit vorgenommen hat.
Über den Autor von Morgen kommt der Weihnachtsmann …, oder?
Bernhard Rupieper (Jahrgang 1970) ist verheiratet und hat zwei Söhne (Jg. 05 und 08) und eine Tochter (Jg. 10). Die Familie, sowie Haus und Garten, nehmen den Großteil seiner Freizeit ein.
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Morgen kommt der Weihnachtsmann …, oder? wurde geschrieben am 23.12.2011 und unter den Kategorien Eltern sein veröffentlicht.